Wenn Ingenieure Vorträge zum Thema Quer- und Zugkraftfestigkeit selbstdichtender Schaftbolzen aus Compound-Materialien halten oder IT-Nerds über die Compliance von Big Data Analytics referieren, haben alle eines gemeinsam:
Sie reden Fachchinesisch – und sind meist wahnsinnig stolz drauf!
Zugegeben, es ist ja auch nichts Schlimmes dabei. Jede Branche und jedes Themengebiet verwendet eigene Ausdrücke und sprachliche Gepflogenheiten. Vieles davon ist technisch notwendig und dient der schnellen Verständigung unter Eingeweihten.
Aber genau hier liegt das Problem: Fachchinesisch bringt nur dann einen Mehrwert, wenn sowohl Sprecher als auch Zuhörer (respektive Schreiber und Leser) es verstehen und mit den Begriffen ohne langes Nachdenken etwas anfangen können.
Bei Fachchinesisch entscheidet die Zielgruppe
Oder kurz gesagt: Auf das Verstehen kommt es an! Wie so oft in Sachen Text geht es darum, wer diesen letztendlich lesen (und begreifen) soll.
Schreibst Du beispielsweise einen Artikel für ein Fachmagazin oder feilst an einem Vortrag für ein Symposium, dann wirst Du wahrscheinlich die ein oder andere Fachterminologie nutzen müssen – und wollen.
Richtet sich Dein Text hingegen an eine breitere, vielleicht sogar undefinierte Zielgruppe, ist allerdings etwas mehr Umsicht geboten:
Bevor Du einen bestimmten Fachbegriff verwendest, überlege Dir gut, ob
- die anvisierte Zielgruppe diesen verstehen und korrekt interpretieren kann,
- der Ausdruck für den darzustellenden Sachverhalt notwendig ist
- und er fachlich korrekt genutzt wird.
Kannst Du nur hinter den beiden letzten Punkten einen Haken setzen, rate ich Dir, das Fachchinesisch einmal kurz zu erklären. Dazu sollte ein Satz genügen, um nicht allzu weit vom Thema abzuschweifen. In Folge darfst Du Deinem Fachchinesisch freien Lauf lassen.
Zugänglichkeit und Sympathie – einfacher ist besser!
Alles Geschriebene löst beim Leser immer bestimmte Emotionen aus. Von schierer Begeisterung bis hin zu gähnender Langeweile ist alles drin. Und natürlich überträgt sich das zwangsläufig auf den Autor:
Klingt ein Text zu kompliziert, zu „hochgestochen“, dann dürfte auch das Bild des Autors, welches der Leser in seinem Kopf entwickelt, kein allzu gutes sein.
Das ist vor allem dann problematisch, wenn der Text mehr als nur Fakten herunterleiern soll. Bleibt die Verständlichkeit beim Leser irgendwo zwischen böhmischen Dörfern auf dem Bahnhof stecken, wird das eigentliche Ziel des Textes oft nicht erreicht.
Ich habe das selbst schon einige Male in vergleichbarer Weise bei IT-Vorträgen erlebt:
Die Redner verloren sich geradezu in ihrer Expertensprache, während das geneigte Publikum nach jeder kurzen Sprechpause anerkennend nickte, bloß um sich die eigene Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
Wie man Fachchinesisch wieder los wird…
Schwieriger wird es, wenn Du einen bestehenden Text überarbeiten möchtest, beispielsweise im Rahmen eines Lektorats.
In diesem Fall empfehle ich Dir, eine Liste der Fachbegriffe anzufertigen und zu prüfen, inwieweit diese ersetzt werden können und sollen. Auch hier entscheidet letztendlich die Zielgruppe – und der Auftraggeber.
Achte beim Ersetzen von Expertensprache in bereits vorhandenen Texten unbedingt darauf, nicht sinnentstellend zu arbeiten:
Markiere solche Änderungen in besonderer Weise und lass sie vom ursprünglichen Schreiber gegenprüfen (dieser besitzt oft ein tiefgehenderes Wissen von der Materie).
Mein Fazit in Sachen Fachchinesisch
Ganz gleich, um welches Thema es sich handelt und welche Zielgruppe Du bedienen möchtest, das KISS-Prinzip in Sachen Terminologie hat sich stets bewährt:
Keep it simple and stupid – schreibe verständlich!
Zum Schluss eine kleine Aufgabe zum Üben… entferne alle Fachbegriffe aus folgendem Satz und bringe ihn in eine sprachlich einfachere Form:
Die intellektuell unbedarftesten Agronomen erzielen oft durch bloße Akzidenz im Rahmen ihrer Aktivitäten die bei der konventionellen Kultivierung maximal mögliche Expansion subterraner Agrarprodukte.
Wenn Du magst, schick mir Deine Lösung per E-Mail… 🙂