Meine Tätigkeiten als Webdesigner und Gestalter für Werbeanzeigen bringen es mit sich, dass ich Kunden oft ein halbfertiges Produkt vorstellen mus – beispielsweise den Prototyp einer Website oder das Grundgerüst einer Annonce.
Leider fällt es vielen Menschen schwer, sich ohne passende Texte das finale Aussehen einer solchen Arbeit vorzustellen:
Während als Platzhalter für Bilder und Grafiken oft einfache graue Flächen oder Symbole genügen, sind diese für Überschriften und Fließtext schwieriger zu finden.
Ein Problem, mit dem ich beileibe nicht allein dastehe. Auch viele andere Designer und Layouter müssen sich hier was einfallen lassen.
Die Herausforderung: Ein Platzhalter für Text
Und genau dafür gibt es das „Lorem ipsum“!
Dabei handelt es sich um nichts anderes als einen Blindtext, der hilft, sich einen Eindruck vom fertigen Layout zu verschaffen. Ein „Blindtext“ („Fülltext“) ist ein Text, der anstelle des eigentlichen Inhalts verwendet wird, solange dieser noch nicht existiert.
Natürlich könntest Du Dir als kreativer Schreiberling selbst ein paar flotte Sprüche ausdenken, mit denen Du gleichzeitig Dein Können in diesem Bereich demonstrierst. Doch das ist nicht Sinn der Sache.
Die Anforderungen an einen Blindtext sehen wie folgt aus:
- Wort- und Satzlänge sowie die Verteilung von Buchstaben und Satzzeichen müssen in etwa der natürlichen Sprache entsprechen.
- Der Blindtext selbst darf nicht vom Layout ablenken, sollte also möglichst neutral sein und den Leser emotional nicht berühren.
- Die Textlänge muss variabel gehalten sein, ohne dass es bei längeren Texten zu auffälligen Wiederholungen oder „Mustern“ kommt.
„Lorem ipsum“ erfüllt in dieser Hinsicht alle Punkte perfekt und wird daher seit den 1960er Jahren im Drucksatz verwendet und fand später in den 1980er Jahren auch Einzug in den Bereich des digitalen Desktop Publishing.
Lorem ipsum – Herkunft und Bedeutung
Auf den ersten Blick könnte man „Lorem ipsum“ für bestes Latein halten, aber der Schein trügt. Im Grunde ist es lateinisches Kauderwelsch.
Als Vorlage dienten Auszüge eines Werkes des Philosophen Marcus Tullius Cicero, welches um das Jahr 45 vor unserer Zeitrechnung entstand.
In „De finibus bonorum et malorum“ („Vom höchsten Gut und vom größten Übel“ bzw. „Über die Ziele menschlichen Handelns“), schrieb er:
Lateinisches Original: „Neque porro quisquam est, qui dolorem ipsum, quia dolor sit, amet, consectetur, adipisci velit […]“
Deutsche Übersetzung: „Es gibt niemanden, der den Schmerz um seiner Selbst willen liebt, der ihn sucht und haben will, einfach weil es Schmerz ist […]“
Blindtext: „Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipisci velit. […]“
So entstanden im Lauf der Zeit zig Abwandlungen von „Lorem ipsum“:
Im Web findest Du eine Vielzahl an Textgeneratoren für diesen Fülltext, die neben dem klassischen „Lorem ipsum“ auch andere Alternativen anbieten.
Sogar viele Textverarbeitungen, Desktop Publishing Tools und diverse Content Management Systeme sind in der Lage, Blindtext „auf Befehl“ zu produzieren. Schlag dafür einfach in der jeweiligen Dokumentation nach.
Was ist mit dem Urheberrecht bei „Lorem ipsum“?
Ein Grund, weshalb ich Dir in diesem Artikel kein ausführliches Beispiel für einen „Lorem ipsum“-Blindtext präsentieren mag, liegt im Urheberrecht:
Grundsätzlich ist nämlich jeder Text – egal wie trivial er dem Leser erscheint – durch das Urheberrecht geschützt.
Und niemand, weder einer der vielen Online-Generatoren für Blindtext noch andere Quellen, die ich gefunden habe, äußerten sich konkret zu diesem Thema.
Aber mal ehrlich, selbst wenn ein bereitgestellter Blindtext als gemeinfrei gekennzeichnet wurde – haftbar für eine unlizenzierte Nutzung ist derjenige, der den fraglichen Text schlußendlich verwendet.
Die meisten werden jetzt das Sprichwort „Wo kein Kläger, da kein Richter!“ anführen. Insbesondere, wenn es darum geht, den Fülltext lediglich intern zu nutzen, um das Layout oder einen Prototypen für Deinen Kunden mit etwas Leben zu füllen.
Definitiv problematisch könnte es werden, wenn Du den Text als eigene Leistung verkaufst oder dieser veröffentlicht wird. Ich persönlich rate Dir hier zur Vorsicht – die Streitsummen im Urheberrecht können schnell ruinösen Charakter annehmen.
Lorem ipsum – wer hat’s wirklich erfunden?
Der Blindtext basiert wahrscheinlich auf Cicero’s Werk „De finibus bonorum et malorum“.
Die Herkunft einer spezifischen Version von „Lorem ipsum“ kann aber kaum zurückverfolgt werden. Zudem habe ich keinen Autor gefunden, der sich damit rühmt, diese Form von Blindtext als Erster erdacht und genutzt zu haben.